Editorial: Perspektive Cybersicherheit
Prof. Ahmad-Reza Sadeghi, Sprecher der Cybersicherheit an der TU Darmstadt, ordnet den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Cybersicherheit für Sie ein:
Was sind Ihre wichtigsten Schlussfolgerungen für die Cybersicherheit aus der Corona-Krise?
In den letzten Monaten des Lock Downs ist sehr sichtbar geworden, wie stark die Cybersicherheit alle sozio-technischen Aspekte der digitalen Welt betrifft. Die Kontaktbeschränkungen brachten die digitalen Technologien mit hoher Geschwindigkeit in die Haushalte und Homeoffices. Dadurch erhöht sich auch die Angriffsfläche und Cyberangriffe und -kriminalität wie zum Beispiel Spam-E-Mails mit schädlichem Inhalt, versuchter Diebstahl von Zugangsdaten bei Cloud-Service-Anbietern, Erpressung durch Ransomware, Angriffe auf virtuelle Konferenzdienste oder Desinformation und Manipulation unserer Demokratie, nehmen zu. Gerade in dieser Zeit ist Cybersicherheit die entscheidende Schlüsseltechnologie für die weitere Digitalisierung. Die Corona-Pandemie hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass zuverlässige und sichere digitale Infrastrukturen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenarbeit unerlässlich sind: vom Homeoffice über Technologien und Apps, mit denen Menschen Distanz halten können bis hin zur digitalen Produktion oder digitalem Unterricht in Schulen.
Prof. Ahmad-Reza Sadeghi,
Sprecher von CYSEC
Cybersicherheit ist die entscheidende Schlüsseltechnologie für die weitere Digitalisierung.
Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Bereiche Smart Home, Smart Office oder sogar Smart City?
Die Pandemie beschleunigt weiter den Einsatz von IT in allen Bereichen des Lebens, den Aufbau digitaler Kompetenz in der Bevölkerung und damit Debatten und Fragen, wie wir in Zukunft leben, wohnen und arbeiten möchten. Smart Home, Office und City werden eventuell noch stärker wachsen, da sie den Bürgern in Krisensituationen viele nützliche Dienste anbieten können.
Allerdings spielen Verlässlichkeit, Sicherheit und Privatheit hierbei eine Schlüsselrolle, da eine große Abhängigkeit von der Digitalisierung fatale Folgen in Bezug auf Cyberangriffe haben kann. Insbesondere ist zu erwarten, dass die Stadt Darmstadt als Digitalstadt eine Vorreiterrolle bei der sicheren Digitalisierung übernehmen wird, vor allem da die Cybersicherheit an der TU Darmstadt internationales Renommee genießt. Überall dort, wo IT an der Schnittstelle zum Menschen eingesetzt wird, kann sie Freiräume zur individuellen Lebensgestaltung vergrößern und im schlechtesten Fall unbemerkt Privatheit und individuelle Freiheit einschränken. Was das heißt, konnten wir zu Beginn der Pandemie bei der Entwicklung der Contact-Tracing-App erleben, bei der erst nach massivem öffentlichem Druck auf die Einrichtung einer zentralen Lösung zur Datensammlung verzichtet wurde.
Welche Chancen ergeben sich jetzt für die Cybersicherheit?
Die großflächige Nutzung von digitalen Angeboten und aufkommender Technologietrends wie Internet of Everything, Autonome Systeme, Künstliche Intelligenz vergrößern wie oben bereits erwähnt die Verwundbarkeit von Menschen und Unternehmen. Insbesondere der Bereich Künstliche Intelligenz (KI) stellt uns vor viele Sicherheits- und Privatheitsherausforderungen, die bewältigt werden müssen, um den Weg für den vertrauenswürdigen und großflächigen Einsatz von KI zu ebnen. In den letzten Jahren hat sich bereits ein Forschungszweig „Adversarial Artificial Intelligence“ herauskristallisiert, der sich dieser Herausforderungen annimmt.
Die großflächige Nutzung von digitalen Angeboten vergrößert die Verwundbarkeit von Unternehmen.
Mit nachhaltigen IT-Sicherheitslösungen können die Angriffsflächen von Netzwerken, Endgeräten, Servern, Daten, Anwendungen und Identitäten maßgeblichen reduziert werden. Deutschland ist eines der führenden Länder in der IT-Sicherheitsforschung und kann hier Einfluss auf die Entwicklung von neuen Schlüsseltechnologien nehmen – gerade im Gesundheitswesen, dem Maschinenbau und der Automobilindustrie, aber auch im Bereich dezentrale Datenbanken und kritischen Infrastrukturen. Es gibt noch viele Herausforderungen im Bereich der IT-Sicherheit und Privatheit, die auf uns zukommen gelöst werden müssen.
Als Profilbereich für Cybersicherheit mit über 30 Forschungsgruppen unterschiedlichster Disziplinen und Perspektiven auf das Thema leisten wir sehr gerne einen Beitrag zu konkreten Projekten und sind sehr offen für interessante Kooperationsideen mit der Industrie, öffentlichen Institutionen oder Städten – für eine sichere IT!
Die Fragen stellte Elena Dröge.
Im Interview
Professor Christian Reuter verrät, warum soziale Medien für die Verbreitung von Informationen wichtig sind, woran man Fake News erkennt und welche Apps zu COVID-19 aktuell im Gespräch sind. Das Interview wurde für die Videoreihe „Wissenschaftsdialog – Perspektiven auf Corona“ der Rhein-Main-Universitäten aufgezeichnet.
Forschung verständlich erklärt
Dieses Mal: Encryption Schemes using Random Oracles: from Classical to Post-Quantum Security.
Wir stellen Ihnen in jedem CYSEC Newsletter eine spannende Forschungsarbeit unserer Wissenschaftler*innen vor, die auf renommierten Konferenzen veröffentlicht wurden: interessant, verständlich, auf den Punkt gebracht.
In den Medien
Unsere Wissenschaftler*innen betreiben Spitzenforschung an zentralen Themen der Cybersicherheit und des Privatheitsschutzes – von den Grundlagen bis zur Anwendung. Hier finden Sie die Highlights aus unserem Pressespiegel:
Professor Ahmad-Reza Sadeghi und sein Team entwickeln ein System für die effiziente und umfassende Pandemie-Rückverfolgung ohne Preisgabe persönlicher Daten: TraceCORONA. Die Contact-Tracing-App arbeitet völlig anonym und sammelt keine Nutzerdaten. Die und das Frankfurter Allgemeine Zeitung Rhein-Main berichteten. Darmstädter Echo
Professor Thomas Schneider weist auf erhebliche Risiken bei der kommerziellen Nutzung von Gesichtserkennung hin – Datenschutz und Privatsphäre sind nicht gewährleistet: das Interview im . Podcast von hr-iNFO Netzwelt
CYSEC-Forscherin Dr. Jiska Classen hat eine gravierende Sicherheitslücke in einem Bluetooth-Modul entdeckt, das in Millionen Samsung-Galaxy-Smartphones genutzt wird: und spiegel.de berichteten. Computerbild
CYSEC Plus
Hier haben wir Links für Sie zusammengestellt, die zu spannenden Informationen, Nachrichten und Stellenangeboten aus unseren großen Projekten führen:
Sonderforschungsbereich CROSSING: Neuigkeiten vom Krypto-Assistenten CogniCrypt
Gründungsinkubator StartupSecure: Nachfrage nach Unterstützungsangeboten steigt
Blockchain-Startup Perun: Positive Bilanz nach einem Jahr Förderung
Graduiertenkolleg Privacy & Trust: Erfolgreich in die zweite Förderphase gestartet
Der nächste CYSEC Newsletter erscheint Anfang November 2020.